Spotlight Study zur Bundestagswahl

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Twitter-Kommunikation im Bundestagswahlkampf 2021

Während wir weiterhin intensiv an der Bereitstellung einer ersten Version unserer Plattform arbeiten, möchten wir mit dieser Spotlight Study zur politischen Twitter-Kommunikation im Bundestagswahlkampf gern ein paar Einblicke in eine unserer zentralen Datengrundlagen vermitteln. Die folgenden Abbildungen und deskriptiven Analysen basieren auf unserem Twitter Core Stream für die politische Landschaft in Deutschland. Konkret handelt es sich um einen Datenpool der in Echtzeit erhobenen Twitter-Kommunikation zu über 1.700 Politiker:innen-Accounts, überwiegend von Abgeordneten des Bundestages, der Landesparlamente und des Europaparlaments sowie institutionellen Accounts von Parteien und Regierungen. Für diese Studie haben wir den Beobachtungszeitraum auf die Zeit zwischen dem 19. April 2021 und dem Wahltag, 26. September 2021, 18 Uhr definiert. Als Start greifen wir den Tag heraus, an dem Annalena Baerbock zur Spitzenkadidatin von Bündnis90/Die Grünen für die Bundestagswahl nominiert wurde. Wir nehmen diese Bekanntmachung einer zweiten Kandidatin im Rennen um das Kanzler:innenamt nach dem SPD-Kandidaten Olaf Scholz als inoffizielle Eröffnung des Wahlkampfs. Als weitere Auswahlentscheidung haben wir uns auf Abgeordnete der sieben großen vor und nach der Wahl im Bundestag vertretenen Parteien beschränkt: AfD, Bündnis90/Die Grünen, CDU, CSU, FDP, Die Linke, SPD. Mit Blick auf die Parteien setzt sich unser Sample nicht ausgewogen zusammen, wie Abbildung 1 zeigt. Die Twitter-Nutzung, also die Einrichtung und dann auch die regelmäßige Nutzung eines Accounts entsprechen nicht dem Anteil an Wählerstimmen oder den Mitgliedern einer Partei. Insbesondere die CDU als nach Mandaten stärkste Kraft ist mit weniger als 50% ihrer gewählten Politiker:innen und damit vergleichsweise schwach auf Twitter vertreten. Diese Unausgewogenheit im Sample gilt es auch bei allen weiteren Analysen zu bedenken.

Abbildung 1: Absolute Anteile der Accounts im Sample gegenüber Mandaten (Bundestag und Länderparlamente) nach Parteien
Abbildung 1: Absolute Anteile der Accounts im Sample gegenüber Mandaten (Bundestag und Länderparlamente) nach Parteien

Die absoluten Anteile der Accounts nach Partei (Abb. 1) ergeben ein anderes Bild zur Zusammensetzung des Samples als die Anteile der tatsächlich versendeten Tweets im Sample (Abb. 2). Während die Partei Bündnis 90/Die Grünen oder DIE LINKE erst an dritter bzw. fünfter Stelle im Hinblick auf die Accounts stehen, rücken sie beim Blick auf die tatsächliche Aktivität deutlich nach vorn. In der Aktivitätsstatistik führen die Grünen das Feld klar an, vor der SPD und den Linken knapp dahinter. Klarer ist der Abstand indes zur konservativen CDU, die an vierter Stelle rangiert.

Abbildung 2: Absolute Anteile der Tweets im Sample nach Partei
Abbildung 2: Absolute Anteile der Tweets im Sample nach Partei

Insgesamt fällt auf, dass die Abgeordneten konservativer Parteien ihre Twitter-Accounts im Wahlkampf weniger aktiv nutzen als die Abgeordneten der Parteien des linken Spektrums.

Im Zeitverlauf zeigt sich zudem ein Anstieg der Posting-Zahlen je Partei ab Ende Juli. Das generell relativ hohe Niveau an Postings durch die Parteien Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und SPD steigt weiter an, während sich bei den anderen betrachteten Parteien nur kleinere Steigerungen feststellen lassen. Insgesamt zeigen sich so auch in der zeitlichen Perspektive die Nutzungsunterschiede von Twitter, welche mit Ausnahme der FDP ein Gefälle zwischen der linken und der rechten Seite des Parteienspektrums für dieses soziale Medium erkennen lassen. Neben der parteipolitischen Präferenz für die Nutzung spezieller sozialer Medien (s. unten zu Facebook) kann auch die unterschiedliche Altersstruktur der politischen Formationen zur Erklärung des variierenden Aktivitätsniveaus beitragen. So liegt das Durschnittsalter der Abgeordneten in der CDU/CSU wie auch der SPD höher als bei FDP, Grünen und Linken. Dies gilt auch für die Mitgliedschaft der Parteien insgesamt [1]. Beim Blick auf den Aktivitätsverlauf ist zu berücksichtigen, dass sich die abfallende Aktivität für den Wahltag dadurch erklären lässt, dass für diesen Tag nur die Zeit bis zur Schließung der Wahllokale (18 Uhr) enthalten ist. Allein in dieser kurzen Zeit wurden beispielsweise von den Abgeordneten/Accounts der Grünen über 1000 Kurznachrichten auf Twitter gepostet.

Abbildung 3: Verlauf der Posting-Aktivität auf Twitter getrennt nach Partei pro Woche

Interaktionsnetzwerke

Im Wahlkämpfen findet eine Vielzahl von kommunikativen Interaktionen zwischen Politiker:innen und Parteiorganisationen statt. So wird auf Wahlkampfveranstaltungen der eigenen Partei aufmerksam gemacht, gemeinsame Aktivitäten oder thematische Initiativen beworben oder die Veranstaltung oder ein Vorschlag einer anderen Partei wird kritisiert. Politiker:innen berichten zudem aus ihrem Wahlkampfalltag oder von anderen beruflichen oder persönlichen Aktivitäten. Die Plattform Twitter bietet ihnen die Möglichkeit, andere Nutzer:innen zu markieren und anzusprechen. Dies geschieht über die Funktion der sog. @-mentions. Abbildung 4 bildet ein Netzwerk der beobachteten Accounts anhand der @-mentions ab. Dabei haben wir nur Verbindungen zwischen den von uns erhobenen parteipolitischen Accounts einbezogen (ca. 37 Prozent aller @-mentions im Sample). Die übrigen @-mentions (ca. 63 Prozent) verweisen auf Accounts außerhalb dieser Menge und werden hier nicht berücksichtigt. Das Layout ist so gewählt, dass Knoten, also die Repräsentation von Accounts im Netzwerk, durch gegenseitige Erwähnungen mit @-mentions räumlich näher beieinander dargestellt werden. Dadurch entsteht ein Netzwerk, bei dem wir Accounts, die häufig erwähnt wurden, also viele Verbindungen haben, im Zentrum finden, diejenigen mit wenigen Verbindungen am Rand. Zudem wird die Abbildung so optimiert, dass sich möglichst wenige Kanten kreuzen. Wenn wir dann auch Knoten und Kanten noch nach den parteipolitischen Farben einfärben, dann ergibt sich ein buntes Netzwerk wie in Abbildung 4.

Abbildung 4: Netzwerk der Accounts nach @-mentions
Abbildung 4: Netzwerk der Accounts nach @-mentions
Netzwerk mit n(Knoten) = 1.452 und n(Kanten) = 34.811, Layout-Algorithmus: Fruchtermann-Reingold, erstellt mit gephi

Die Abbildung lässt die parteipolitischen Formationen mehr oder weniger klar als zusammenhängende Cluster oder Gruppierungen erkennen. Wir haben diese mit parteipolitischen Labels versehen. Die hohen absoluten Zahlen der Parteien links der Mitte schlagen sich in vielen Verbindungen und entsprechend großen Clustern in der Netzwerkdarstellung nieder. Die CSU ist als eigenes Cluster nicht zu erkennen. Die CSU-Account-Knoten verteilen sich über den Graphen, plausiblerweise insbesondere im Bereich der schwarzen Knoten und Kanten für die CDU. Die Reihenfolge der Cluster ist nicht robust und kann sich bei der nächsten Anwendung des Layout-Algorithmus anders ergeben. Was der Algorithmus hingegen zuverlässig abbildet, ist die Struktur des Wirbels, wobei zentrale Knoten für fast alle Parteien im Zentrum des Netzwerks platziert sind und die Cluster vom Mittelpunkt ausgehend nach außen breiter werden. Auffällig ist zudem die Sonderstellung des Clusters für die AfD-Accounts. Diesem Cluster fehlt die Anbindung an das Zentrum. Es tendiert insgesamt nach außen, weist dabei einen hohen Grad interner Dichte auf (eine Community gemäß Vokabular der Netzwerkanalyse). Die Sonderstellung der AfD im Netzwerk kann als Hinweis auf die im Zusammenhang mit der politischen Kommunikation in sozialen Medien viel diskutierte Echokammerhypothese gedeutet werden. Diese ist gerade im Hinblick auf die politischen Ränder, insbesondere auch die AfD, formuliert worden [2,3,4]. Für eine weitere Überprüfung der Hypothese müssen die kommunikativen Verbindungen aber weitergehend geprüft werden. Für die @-mentions wäre etwa die Isolation der Partei in politischer Kommunikation und Parlamentsarbeit zu berücksichtigen, die sich hier ebenso auswirkt wie die selbstgewählte Abgrenzung.

Netzwerkdarstellungen eignen sich gut, um Muster und Zusammenhänge sichtbar zu machen, die ohne diese Darstellungsweise womöglich nicht auffallen würden. Statistische Maßzahlen haben demgegenüber den Vorteil, dass sie genauere Messungen und Vergleichswerte ermöglichen. Wenn wir bestimmen wollen, welche Accounts im oben dargestellten Netzwerk die zentralen Plätze einnehmen, dann können wir uns eines Zentralitätsmaßes bedienen. Wir wählen den In-Degree, also den Grad eines Knotens, gemessen an den eingehenden Verbindungen. Abbildung 5 zeigt diese Werte für die 30 zentralsten Accounts an.

Abbildung 5: Indegree-Werte im @-mention-Netzwerk (Top-30 der Accounts nach Indegree)
Abbildung 5: Indegree-Werte im @-mention-Netzwerk (Top-30 der Accounts nach Indegree)
Netzwerk mit n(Knoten) = 1.452 und n(Kanten) = 34.811

Nach dem in Abbildung 5 dargestellten Ranking bilden Armin Laschet und Olaf Scholz die zentralsten Knoten im Netzwerk. Es folgen die parteipolitischen Accounts sowie der Account von Annalena Baerbock. Unter den Top 30 finden sich keine Accounts der AfD. Weder institutonelle Accounts noch einzelne Abgeordnete werden hinreichend häufig erwähnt. Dies korrespondiert mit den Befunden aus der Netzwerkbetrachtung im Schaubild.

Zu Illustrationszwecken ist es zudem möglich, die Verbindungen zwischen den individuellen Accounts über @-mentions auf Parteiebene zusammenzufassen. Dies erlaubt einen gebündelten Blick auf die kommunikativen Relationen der Parteien. In dieser Darstellung mithilfe eines Sehnendiagramms in Abbildung 6 zeigen sich die starken Relationen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen, CDU und SPD, sowie SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Gemeinsam mit den Indegrees der Spitzenkandidat:innen legt das Bild zumindest nahe, dass zahlreiche Interaktionen und Referenzierungen zwischen den genannten Parteien stattgefunden haben. Zudem fällt auf, dass sich die beiden Parteien der Union (CDU und CSU) relativ häufig gegenseitig referenzieren. Interessant ist dabei auch asymmetrisches Mentioning-Verhalten. Hier zeigt sich besonders für die AfD, dass Politiker:innen dieser Partei häufiger Politiker:innen anderer Parteien erwähnen, jedoch nicht von diesen benannt werden.

Abbildung 6: Mentioning der Parteien.
Die Verbindungen zeigen die Menge der Verbindungen zwischen 2 Parteien. Bei jeder Verbindung werden die ausgehenden Verbindungen, getrennt nach Partei, angezeigt

Als Interaktionen sind @-mentions in ihrer Bedeutung nicht klar. So kann ein anderer Akteur scharf kritisiert oder für sein politisches Handeln sehr gelobt werden. In beiden Fällen ist die Verwendung der @-mention-Funktion von Twitter üblich. Damit sagt das @-mentioning noch wenig über die Qualität einer Beziehung aus. Substantieller sind demgegenüber die Retweets. Wenn eine Nachricht retweeted wird, dann ist dies in der Regel ein Zeichen der Anerkennung und Verstärkung der zugehörigen Botschaft bzw. des Akteurs. Gerade in Wahlkampfzeiten können wir für strategisch kommunizierende Politiker:innen annehmen, dass die Praxis des Retweetens einer parteipolitischen und Wahlkampflogik folgt und sich somit die Parteigrenzen im entsprechenden Interaktionsnetzwerk schärfer abzeichnen sollten als bei den @-mentions. Abbildung 7 zeigt ein solches Netzwerk. Im Unterschied zu Abb. 4 bildet es als Kanten lediglich die Retweets ab. Wieder berücksichtigen wir ausschließlich die Retweets zwischen den parteipolitischen Accounts (etwa 29 Prozent aller Retweets im Sample). Die Parteien bilden im entsprechend eingefärbten Graphen nun klar erkennbare Cluster mit wenigen Verbindungen untereinander. Erwartungsgemäß bestehen zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU engere Verbindungen, so dass zwischen diesen Parteien keine Trennung erkennbar ist. Die Cluster für SPD, Grüne und Linke sind erneut größer und markanter, was sich in erster Linie auf die zahlreicheren und aktiveren Twitter-Nutzer:innen für diese Parteien in unserem Sample zurückführen lässt. Unter den Parteien ist die AfD mit den ihr zugehörigen Accounts erneut am klarsten von den anderen Clustern separiert und am Rand des Graphen zu finden.

Abbildung 7: Netzwerk der Accounts nach retweets
Abbildung 7: Netzwerk der Accounts nach retweets
Netzwerk mit n(Knoten) = 1.186 und n(Kanten) = 13.050, Layout-Algorithmus: Fruchtermann-Reingold, erstellt mit gephi

Wie für die @-mentions kann auch für die Retweets ein Zentralitäts-Ranking gebildet werden. Abbildung 8 zeigt dieses Ranking für die Top-30 der zentralsten Accounts, gemessen an eingehenden Retweet-Verbindungen - also wie oft retweeted -, in einem Säulendiagramm. Im Unterschied zur Abbildung für die @-mentions (Abb. 5) schlägt sich die eigene Twitter-Aktivität der Akteure hier sehr viel stärker nieder. Entsprechend unausgeglichener ist das Bild. Die Top-30 werden von Accounts der Grünen klar dominiert. Auf den ersten Rängen finden sich parteipolitische Accounts (Bündnis90/Die Grünen und SPD) sowie die Spitzenkandidat:innen dieser Parteien, doch auch andere auf Twitter aktive Politiker:innen wie die Bundestagsabgeordnete Haßelmann oder der EP-Parlamentarier Giegold liegen weit vorn.

Abbildung 8: Indegree-Werte im Retweet-Netzwerk (Top-30 der Accounts nach Indegree)
Abbildung 8: Indegree-Werte im Retweet-Netzwerk (Top-30 der Accounts nach Indegree)
Netzwerk mit n(Knoten) = 1.186 und n(Kanten) = 13.050

Etwas unabhängiger von der eigenen Aktivität wird die Messung der Zentralität mittels des sog. PageRank. Es handelt sich um den Ranking-Algorithmus, der durch die Google-Suche bekannt geworden ist. Das Maß für die Eigenvektorzentralität berücksichtigt neben der Zahl der eingehenden Verbindungen (Retweets) auch die Stellung des ausgehenden Knotens (des retweetenden Akteurs). Abbildung 9 stellt diese Verteilung dar. In dieser Darstellung rücken nun die Partei-Accounts gegenüber dem @-mention-Netzwerk insgesamt nach vorn, gefolgt mit einigem Abstand von den Spitzenkandidat:innen der großen Parteien. Das Bild ist erwartbar für die Parteienkommunikation, gerade in Wahlkampfzeiten, in denen die Tweets der Parteizentrale von den Abgeordneten weiterverbreitetet werden und diese als Multiplikator:innen für Wahlkampfbotschaften und -material fungieren. Im Unterschied zu den Indegrees sind hier auch die AfD-Fraktion und Spitzenkandidatin Weidel in der Top-30-Liste nach Page Rank vertreten.

Abbildung 9: PageRank-Werte im Retweet-Netzwerk (Top-30 der Accounts nach PageRank)
Abbildung 9: PageRank-Werte im Retweet-Netzwerk (Top-30 der Accounts nach PageRank)
Netzwerk mit n(Knoten) = 1.186 und n(Kanten) = 13.050

Betrachtet man das summierte Retweeting der Parteien erneut in einem Sehnendiagramm, zeigt sich die große Menge an gegenseitiger Interaktion der Unionsparteien. Zudem finden sich viele Verbindungen zwischen den Parteien Die Linke, Bündnis 90/ Die Grünen und SPD. Insgesamt lassen die Retweets damit noch deutlicher ein Links-rechts-Schema der Parteienkommunikation erkennen, als dies bei Mentioning-Prozessen der Fall ist (s. Abb. 10).

Abbildung 10: Retweeting der Parteien.
Die Verbindungen zeigen die Menge der Verbindungen zwischen 2 Parteien. Bei jeder Verbindung werden die ausgehenden Verbindungen, getrennt nach Partei, angezeigt

Thematische Verknüpfungen über Hashtags

Thematische Bezüge werden in der Twitter-Kommunikation in der Regel durch die Verwendung des #-Symbols (Hashtag) untermalt und für das soziale Netzwerk sortiert. Abbildung 11 gibt für die sieben großen Parteien die 10 häufigsten Hashtags wieder. Daraus lassen sich thematische Orientierungen im Wahlkampf ablesen. Für alle Parteien spiegelt sich das beherrschende Thema der Pandemie und ihrer Bewältigung im Hashtag-Gebrauch wider. Allgemeine Bezüge sind sichtbar im Hinblick auf das Parlament („#Bundestag“) oder die amtierende Regierung („#Merkel“). Spezifischer sind erwartungsgemäß die Bezüge zur eigenen Partei oder der eigenen Wahlkampagne (z.B. „#vielzutun“ für die FDP, „#ScholzPacktDasAn“). Daneben werden in diesen Top-Listen spezifische thematische Bezüge erkennbar, etwa anhand von Leitbegriffen wie „#Klimakrise“ für die Grünen oder „#Mietendeckel“ für die Linken oder „#Kinderkongress“ für die AfD.

Abbildung 11: Die 10 häufigsten Hashtags nach Parteien
Abbildung 11: Die 10 häufigsten Hashtags nach Parteien
Statistiken basierend auf n(Hashtags, types) = 50.949 und n(Hashtags, tokens) = 652.261

Betrachten wir die Hashtags als Anzeichen, in welchem Maße Parteipolitiker:innen an gewissen thematischen Debatten teilnehmen, dann ist es ebenfalls von Interesse, welche thematischen Berührungspunkte der Parteien anhand des gemeinsamen Gebrauchs von Hashtags sichtbar werden. Dies wird durch Abbildung 12 illustriert. Dabei ist die sog. Heatmap eine Matrix-Darstellung, bei der die Felder eine dunklere Farbe haben, wenn größere Gemeinsamkeit zwischen den Fällen (also mehr gemeinsam verwendete Hashtags mit häufigeren Nennungen) vorliegen. Größere Gemeinsamkeiten werden hier zwischen den Grünen und der Linken deutlich oder auch zwischen den Grünen und der SPD. Allerdings sind hier in besonderem Maße auch die Aktivitätsunterschiede zu berücksichtigen.

Abbildung 12: Darstellung gemeinsam verwendeter Hashtags als Heatmap
Abbildung 12: Darstellung gemeinsam verwendeter Hashtags als Heatmap
Bipartite Projektion, Ausgangsnetzwerk basierend auf n(Hashtags, types) = 50.949 und n(Hashtags, tokens) = 652.261

Referenzen im hybriden Mediensystem - Domains und URLs

Verbleiben wir mit den Hashtags im kommunikativen Universum des sozialen Netzwerks, also Twitter, erlaubt uns eine Analyse der in Tweets geteilten Links einen etwas weiteren Blick in eine hybride Medienumgebung (etablierte Medien, Internetmedien, soziale Netzwerke), weil Twitter-Nutzer:innen über das Teilen von Links in der Regel auf andere Medieninhalte hinweisen. Unser erster vergleichender Blick ist auf die Webseiten und Medienorgane gerichtet, von denen häufig Inhalte geteilt werden. Dazu haben wir die URLs auf die Domain-Namen gekürzt und die Ergebnisse zu Statistiken zusammengefasst. Wichtig hierbei ist, dass wir im Zuge der Aufbereitung häufig referenzierte Domains, die aber selbst auf soziale Netzwerkseiten verweisen, etwa auf Twitter oder Facebook, entfernt haben, weil die für alle Parteien gemeinsamen Referenzen auf diese Plattformen nicht aussagekräftig sind. Das verbleibende Bild (Abbildung 13) zeigt an, dass die parteipolitischen Accounts neben Inhalten von den eigenen Parteiseiten Content von vielrezipierten Medienorganen verbreitet haben (also etwa von Spiegel online, der Tagesschau oder der Bild-Zeitung). Erwartungsgemäß zeigen sich hier Differenzen in der ablesbaren Medienzusamenstellung mit der Süddeutschen Zeitung und Spiegel als vorrangige Referenzen für die Parteien links der Mitte und Bild-Zeitung und Die Welt für die konservatien Parteien. Finden wir für die Parteien insgesamt doch Hinweise auf gemeinsam stark genutzte und rezipierte Medienangebote der sog. Leitmedien, so finden wir insbesondere für die AfD weit oben unter den häufigsten Quellen auch rechtskonservative bis -extreme Nischenmedien wie Tichys Einblick oder Die Junge Freiheit.

Abbildung 13: Die am häufigsten referenzierten Domains nach Partei (Top 15)
Abbildung 13: Die am häufigsten referenzierten Domains nach Partei (Top 15)
Statistiken basierend auf n(Domains, types) = 7.907 und n(URLs, tokens) = 92.201, nicht berücksichtigt sind Referenzen auf soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook

Auch für die Verlinkungen ist wieder von Interesse, welche gemeinsamen Muster die parteipolitischen Accounts hier aufweisen. Anders als für Abbildung 13 können wir im Folgenden die URLs als ganze berücksichtigen, womit der Logik des Verbreitens von einzelnen Inhalten (unabhängig vom veröffentlichenden Medium) im Netz besser entsprochen werden kann. Abbildung 14 zeigt das Maß an gemeinsam geteilten Inhalten erneut in Form einer Heatmap an. Je mehr und je häufiger einzelne Inhalte von einer Partei gemeinsam referenziert werden, desto dunkler und kräftiger erscheint das rote Feld in der Matrix. Erneut sehen wir die größten Gemeinsamkeiten zwischen den Grünen und den Linken sowie zwischen den Grünen und der SPD. Allerdings sind auch die Gemeinsamkeiten zwischen den Unionsparteien CDU und CSU klar erkennbar.

Abbildung 14: Darstellung gemeinsam geteilter Inhalte (URLs)
Abbildung 14: Darstellung gemeinsam geteilter Inhalte (URLs)
Bipartite Projektion basierend auf n(URLs, types) = 204.322 [>5mal = 3.793] und n(URLs, tokens) = 301.826

Facebook

Das Projekt EPINetz basiert auf unterschiedlichen Datenströmen. Facebook als weiteres soziales Netzwerk wird nicht systematisch erfasst. Um dennoch einen zusätzlichen, vergleichenden Einblick in die offizielle Facebook-Kommunikation der Parteien während des Wahlkampfs zu bieten, haben wir auch diese Kommunikation erhoben. Da Parteien in unterschiedlicher Weise auf die verschiedenen Kanäle setzen, um ihre Anhänger:innen zu mobilisieren, hilft der vergleichende Blick, die oben präsentierten Analysen einzuordnen. So zeigt sich etwa im Vergleich zu Twitter im FB-Korpus eine deutlich stärkere Präsenz der AfD, welche kurz vor Wahlkampfende jedoch noch von der CDU übertroffen wird. Allgemein steigt die Postingzahl in der „heißen Phase“ gegen Ende des Wahlkampfes. Auffällig ist dabei, dass die Partei der Grünen und der SPD anderen Mustern folgen als der CDU. Die Grünen beginnen mit relativ vielen Postings im Juni, werden dann jedoch weniger aktiv. Die SPD „erholt“ sich von ihrem kleinen Zwischentief und postet gegen Wahlkampfende wieder mehr. Da nur offizielle Parteiaccounts betrachtet wurden, ist die Aussagekraft hier jedoch begrenzt. Inwiefern sich Personalisierungeffekte während des Wahlkampfes zeigen und etwa einzelne Politiker:innen den Wahlkampf der Parteien besonders vorantreiben, kann anhand der vorliegenden Daten somit nicht gezeigt werden.

Abbildung 15: Verlauf der Postingaktivität auf Facebook getrennt nach Partei pro Woche
Referenzen:
1
Bundeszentrale für politische Bildung, Accessed December 3, 2021. https://www.bpb.de/politik/grundfragen/parteien-in-deutschland/zahlen-und-fakten/140358/soziale-zusammensetzung.
2
“Explaining the Emergence of Echo Chambers on Social Media: The Role of Ideology and Extremism.” SSRN Electronic Journal. Advance online publication. Doi:https://doi.org/10.2139/ssrn.2839728.
3
Brühl, J., K. Brunner, and S. Ebitsch. 2017. “Der Facebook-Faktor: Wie das soziale Netzwerk die Wahl beeinflusst.”
4
Süddeutsche Zeitung, Accessed June 14, 2019. http://gfx.sueddeutsche.de/apps/e502288/www.