Spotlight Study zur Wiederholungswahl in Berlin 2023
Einleitung
Am 12.02.23 wählte Berlin das 19. Abgeordnetenhaus im Rahmen einer Wiederholungswahl, die infolge einiger Pannen bei der eigentlichen Wahl am 26.09.21 stattfand. Es wurden falsche und zu wenige Wahlzettel ausgegeben, was zu Beschwerden führte, die vom Verfassungsgerichtshof in Berlin anerkannt wurden. (Bräutigam und Schwartz, 2023)
Das Endergebnis der Wiederholungswahl zeigt in Abbildung 1, dass die CDU mit einem Zuwachs von etwa 10 Prozentpunkten deutlich besser abschnitt. Ein Grund dafür war laut ZDF die geringere Wahlbeteiligung, die bei der ersten Wahl im Jahr 2021 gleichzeitig mit der Bundestagswahl lief und bei 75,4% lag, während sie im Jahr 2023 nur bei 63% lag. Von diesem Umstand profitierte hauptsächlich die CDU, was zu den Ergebnissen aus Abbildung 2 führte. (Wahlen, 2023) (statista, 2023)
Weitere Faktoren, die sich auf die Ergebnisse in Abbildung 2 auswirken, sind die höhere Wahlbeteiligung in der Altersgruppe über 60 Jahren, bei der die CDU besonders gut abschnitt. Außerdem sank die Zufriedenheit der Bevölkerung im Vorfeld mit der rot- grün-roten Regierung und der amtierenden Bürgermeisterin sowie Spitzenkandidatin der SPD, Franziska Giffey (Wahlen, 2023). Sowohl die SPD und die Grünen als auch die Linke verloren laut Abbildung 1 Prozentpunkte. Auch die FDP verlor deutlich an Stimmen und schaffte es nach der Wiederholungswahl nicht über die für den Einzug in das Abgeordnetenhaus benötigten 5%.
In Abbildung 3 ist zu sehen, wie die sechs großen Parteien auf Twitter vertreten sind. Für diese Spotlight Study wurden von den großen Parteien alle entsprechenden Twitter- Accounts der Kandidatinnen und Kandidaten gesucht. Insgesamt wurden 427 Kandida tinnen und Kandidaten betrachtet, von denen 256 Accounts gefunden wurden. Die Abbil dung 3 zeigt dabei, wie viele Kandidat innen einen zugehörigen Twitteraccount führen. Sie bilden die Datengrundlage dieser Spotlight Study.
Ergebnisse und Analysen
Output (Re)Tweets
Abbildung 4 zeigt das gesamte Tweetaufkommen der Parteien während des ausgewählten Zeitraums vom 02.01.23 bis zum 11.02.23, welcher vom Beginn der Briefwahl bis zum Vortag der Wahl reicht und somit die primäre Wahlkampfperiode umfasst.
Wie Abbildung 4 zeigt, war die Linke unter allen Parteien am aktivsten auf Twitter. Allerdings sollte beachtet werden, dass wenige Accounts durch einen hohen Output an Tweets und Retweets für dieses Ergebnis verantwortlich sein können. Die Linke wurde von der FDP gefolgt. Abbildung 5 zeigt den prozentualen Anteil der Retweets am Output der Parteien, da Retweets weniger Aufwand erfordern und lediglich Zuspruch für andere Tweets signalisieren. Auch hier ist DIE LINKE mit 55% Retweets führend, gefolgt von den Grünen mit etwa 46%. Interessanterweise hat die SPD trotz ihres vergleichsweise geringen Outputs mit etwa 45% einen hohen Anteil an Retweets.
Wie bereits zuvor erwähnt, ist es wichtig zu berücksichtigen, dass auch wenige Accounts für einen hohen Output verantwortlich sein können. Dennoch kann ein hoher Output auch zu einer erhöhten Sichtbarkeit führen. In Abbildung 6 ist zu sehen, dass fünf der zehn Accounts mit dem höchsten Output der Partei DIE LINKE angehören. Weder die Grünen noch die SPD sind in dieser Top 10 vertreten. Besonders überraschend ist dies für die Grünen, da sie insgesamt den zweit höchsten Output haben, wenn man Retweets berücksichtigt und damit noch vor der FDP liegen.
Die Abbildung 6 zeigt, dass der Spitzenreiter im Output Tobias Schulze von der Partei DIE LINKE ist. Tobias Schulze bekleidet das Amt des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus. Innerhalb seiner Partei fungiert Tobias Schulze "[...] als stellvertretender Landesvorsitzender des Berliner Landesverbands sowie als Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaftspolitik [...]." (Schulze, n. d.) Somit hält er zwei Ämter innerhalb der Partei, was einen generell hohen Output an politischen Statements, Kommentaren oder Diskussionsbeiträgen erwarten lässt. Auch auf seinem Twitteraccount verweist er auf Interessengebiete wie die Digitalisierung - passend zu seinem Auftritt auf Twitter (Twitter, 2023). Die Kandidatur war erfolgreich, auch nach der Wiederholungswahl konnte Schulze wieder in das Abgeordnetenhaus einziehen.
Björn Matthias Jotzo von der FDP belegt den zweiten Platz im Output-Ranking. Er ist Berzirksvorsitzender im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf und war nach der ursprünglichen Wahl 2021 auch Mitglied im Abgeordnetenhaus Berlin. Neben seinem Amt als Vorsitzender bekleidet er keine weiteren Ämter oder politischen Sprecherfunktionen. Eine besondere Affinität oder Interesse an digitalen Themen ist ihm nicht zuzuordnen, da er abseits der Politik als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, sowie Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht tätig ist (Berlin, n. d.). Seine Kandidatur war nicht erfolgreich, die FDP scheiterte an der 5%-Hürde und konnte als Partei nicht in das Abgeordnetenhaus einziehen.
Abbildung 7 zeigt das Verhältnis von Likes zu Tweets und Retweets. Mithilfe dieser Abbildung kann der generelle Zuspruch, den Politiker:innen auf ihre Tweets erhalten haben, nachvollzogen werden. Interessant ist, dass eine Grünen-Politikerin den ersten Platz bei den Likes pro Tweet belegt. Mit durchschnittlich 877 Likes scheinen ihre Tweets großen Anklang und Zuspruch zu finden. Sie belegt zudem den zweiten Platz bei den Retweets, was ebenfalls als Zuspruch gewertet werden kann. Wichtig ist zu beachten, dass keine Gewichtung vorgenommen wurde, weshalb Mariella Perma mit nur 8 Tweets die Spitzenposition eingenommen hat. Ausschlaggebend war dabei ein Tweet mit etwa 6.900 Likes: In diesem Tweet zeigte sie ein Foto von einem CDU-Wahlplakat, welches die Aufschrift "25% weniger Parkplätze? Nicht mit uns!" enthielt und mit dem Satz "Dann halt ohne euch!" abgeändert wurde (Mariella Perna [@MariellaPerna], 2023). Mariella Perma verfehlte den Einzug ins Abgeordnetenhaus.
Georg Pazderski von der AfD hat mit etwa 500 Tweets durchschnittlich 700 Likes erreicht. Dies ist im Vergleich zum geringen Output von Mariella Perma durchaus beachtlich. Er war von 2013 bis 2015 Bundesgeschäftsführer seiner Partei. Danach agierte er bis 2020 als Landesvorsitzender in Berlin und war von 2016 bis 2021 Mitglied des Abgeordnetenhauses. Trotz des vierten Platzes auf der Landesliste und seines Erfolgs auf Twitter verfehlte er den Einzug für die AfD in Berlin sowohl im 2021er Wahlgang als auch in der Wiederholungswahl (abgeordnetenwatch, 2021). Dennoch sind sein Output sowie Like-Zahlen deutlich höher als bei anderen Kandidat:innen. Platz drei in dieser Liste wird ebenfalls von einem AfD-Kandidaten, Thorsten Weiß, belegt. Sein Einzug war erfolgreich.
Den vierten Platz belegt ein CDU-Politiker, Kai Wegner, der auch der einzige CDU-Politiker in dieser Top 10 ist. Mit nur 39 Tweets ist sein Output deutlich geringer als der von Georg Pazderski. In seinem Fall liegt dies auch nicht an einem Tweet mit hoher Like-Zahl, da alle seine Tweets Anklang gefunden haben. Vielmehr dürften die Zahlen in seiner Rolle als Spitzenkandidat der CDU für das Amt des Regierenden Bürgermeisters liegen. Seine Kandidatur war erfolgreich, da die CDU wie bereits erwähnt an Stimmen zulegen konnte. Somit wurde er zum neuen regierenden Bürgermeister Berlins erklärt (Senatskanzlei, 2023). Es ist das erste Mal seit 1999, dass dieses Amt von der CDU ausgeübt wird.
Interessant ist auch, dass Björn Matthias Jotzo trotz seines hohen Outputs in keiner Abbildung auftaucht. Einerseits verfehlte die FDP zwar den Einzug und war dadurch möglicherweise auch weniger relevant im Wahlkampf. Dennoch ist es erstaunlich, dass er bei über 1000 Tweets lediglich durchschnittliche 4,8 Likes und 0,5 Retweets auf sich vereinen konnte.
In Abbildung 8 wird deutlich, wie groß der Vorsprung von Georg Padzerski gegenüber den anderen Kandidaten in Bezug auf Likes und Retweets war. Keiner der anderen Kandidaten konnte annähernd so viele Likes für sich gewinnen wie er. Dies wird besonders im Vergleich zu Kai Wegner deutlich, der zwar in der Abbildung 8 zu sehen ist, aber nur einen Bruchteil der Likes erhielt. Trotzdem konnte Georg Padzerski nicht in das Abgeordnetenhaus einziehen. Dies spricht eher gegen eine Korrelation zwischen Erfolg auf Twitter und einem Erfolg bei der Wahl. Die genauen Mechanismen sind anhand der Daten jedoch nicht eindeutig zu belegen oder aufzuzeigen. Beispielsweise ist unklar, wie das Verhältnis von Ursache und Wirkung ist. Im Falle von Kai Wegner ist so unklar, ob seine Aktivität auf Twitter zu seinem Wahlerfolg oder ob sein sich abzeichnender Wahlerfolg zu seiner Aktivität auf Twitter geführt hat.
In den Abbildungen 9 und 10 werden die Wahlkreise nach Output bzw. Anzahl an Accounts farbig eingefärbt dargestellt. Es ist zu beachten, dass in Abbildung 10 drei Wahlkreise besonders auffallen, da sie über 1200 Tweets aufweisen. Der drittgrößte Output stammt aus dem Bezirk 0906 Treptow-Köpenick 6. Hier haben Georg Padzerski und Carsten Schatz, beide ansässige Politiker, jeweils mehr als 500 Tweets veröffentlicht. Während Georg Padzerski bereits erwähnt wurde, tauchte Carsten Schatz bisher in keiner Abbildung auf. Er ist ein Politiker der Partei DIE LINKE und derzeit Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus. Seine Affinität zu Twitter zeigt sich auch durch die Integration von Twitter auf seiner Homepage (Schatz, n. d.). Auf Platz 2 liegt Charlottenburg- Wilmersdorf 7. Björn Matthias Jotzo allein hat mit über 1000 Tweets einen hohen Output, während Harald Laatsch von der AfD nur etwas über 150 Tweets hat. Trotzdem war seine Kandidatur erfolgreich. Ansgar Gusy, der dritte Account in diesem Wahlkreis von Bündnis 90/Die Grünen, trat erfolglos an und hatte nur 76 Tweets veröffentlicht. Der höchste Output wurde in Berlin Mitte 7 erzielt. Obwohl laut Abbildung 9 vier Accounts vertreten sind, geht der Großteil des Outputs allein auf Tobias Schulze von der Linken zurück, welcher bereits die Rangliste der aktivsten Accounts anführte.
Die in Abbildung 11 dargestellten Hashtags geben Einblicke in wichtige Themen des Wahlkampfs. Zum Beispiel sind wahlkampfrelevante Themen, die von jeder Partei aufgegriffen wurden, wie die eigenen Parteienamen oder die ihrer Konkurrenten (#SPD, #CDU), sowie Hashtags, die direkt auf die Wahl und Wahlkampfslogans Bezug nehmen (#Berlin, #ZusammenBerlin), zu finden.
Es gibt jedoch auch Themen, die aufgrund unterschiedlicher Standpunkte kontrovers diskutiert wurden, wie das Thema Klimakrise, das bei den Grünen und der AfD unter den Hashtags #Klimaschutz und #Klimaterroristen diskutiert wurde. Der Hashtag #A100 und #A100stoppen wurde von der FDP und den Grünen diskutiert, wobei die FDP für den Weiterbau und die Grünen dagegen waren (Hausding, n. d.). Der Hashtag #Silvesternacht, der sich auf die Krawalle bezieht, wurde häufig von der SPD verwendet.
Wenn man Social Media Plattformen analysiert, kann man mithilfe von Netzwerken wichtige oder beliebte Personen oder Themen identifizieren. Netzwerke können Personen, Tweets oder Themen verbinden, welche dann als Netzwerkgraphen visualisiert werden. Dabei werden Knoten durch Kreise und Verbindungen durch Linien oder Pfeile dargestellt. Die Verbindungen können gerichtet oder ungerichtet sein, je nachdem, ob sie eine Einbahnstraße oder eine gegenseitige Beziehung darstellen. Zum Beispiel kann ein gerichteter Zusammenhang zwischen zwei Knoten sein, dass Person A das Kind von Person B ist, während ein ungerichteter Zusammenhang eine beidseitige Verbindung wie die zwischen zwei Städten darstellt.
Die Abbildung 12 zeigt ein sogenanntes Mention-Netzwerk. Dabei werden Akteure im Zentrum, die größer dargestellt werden, häufiger von Anderen erwähnt. Es gibt mehrere auffällige Merkmale in diesem Netzwerkgraphen. Zunächst einmal gibt es mehrere Knoten, die eine hohe Anzahl von Verbindungen haben, insbesondere die Knoten in der Mitte des Graphen, wie Björn Matthias Jotzo, Bettina Jarasch oder Stefan Evers. Diese Knoten könnten als wichtige Akteure innerhalb des Netzwerks angesehen werden, da sie viele Mentions erhalten. Die Accounts von Bettina Jarasch und Stefan Evers, sind vermutlich deshalb im Zentrum, da es sich um die Bürgermeisterkandidatin und Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz von Berlin von den Grünen und um den neu gewählten Senator für Finanzen und damaligen parlamentarischen Geschäftsführer Stefan Evers von der CDU handelt.
Die Knoten und Kanten haben verschiedene Farben, passend zu ihrer Parteizugehörigkeit. Dadurch lassen sich einige Cluster, also Gruppierungen erkennen. Während die Grünen, die LINKE und die SPD deutlich als eigene Cluster zu erkennen sind, mischen sich CDU und FDP einerseits bei den Grünen und andererseits bei der SPD unter. Besonders die FDP und die Grünen scheinen sich häufig gegenseitig zu erwähnen. Da die beiden auch nah an der SPD liegen, deutet diese Nähe auf eine engere Verbindung zwischen den Parteien hin, welche sich durch die gemeinsame Koalition auf Bundesebene begründen lässt. Gleichzeitig könnte sich hier eine gewisse Profillosigkeit im Wahlkampf der FDP abbilden, welche sich an Themen der Koalitionspartner auf Bundesebene orientiert und es so verpasst, Wähler:innen auf Landesebene zu binden.
Die Vermischung von CDU und SPD könnte durch die starke Konkurrenz im Wahlkampf von Franziska Giffey und Kai Wegner begründet sein. Die beiden Twitter-Accounts @kaiwegner und @FranziskaGiffey liegen auch räumlich sehr nah beieinander. Die Begründung dafür könnte in ihrem Status als Spitzenkandidat:innen liegen, welche sie insgesamt in das Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Eine übermäßige direkte Interaktion der beiden Accounts lässt sich bei einer genaueren Betrachtung nicht feststellen.
Die AfD scheint verwunderlicherweise kein eindeutiges Cluster zu bilden, sondern taucht sporadisch bei den anderen Parteien auf. Dadurch scheint es so, dass sich die AfD nicht häufig untereinander erwähnt. Dies ist besonders im Vergleich zur Niedersachsenwahl verwunderlich (Bukold und Gronewold, 2023).
In Abbildung 13 sieht man nun gerichtete Kanten zwischen den einzelnen Parteien. Hier wird deutlich, dass die AfD zwar alle anderen Parteien erwähnt, jedoch außer von der SPD von keiner anderen Partei erwähnt wird. Die Dicke der Kanten zeigt auch an, dass die SPD die AfD im Vergleich zur CDU oder den LINKEN weniger erwähnt. Ansonsten erwähnen sich alle Parteien gegenseitig. Am häufigsten geht dies von den Grünen zur CDU aus. Dies könnte mit der Erwägung einer Schwarz-Grünen Koalition zusammenhängen, die von beiden Parteien zwar diskutiert, aber ebenfalls im Vorfeld ausgeschlossen wurde. Vielmehr könnte es sich allerdings um einen Streit der beiden Parteien zu den Silvesterkrawallen handeln (Hyun, 2023). Die häufige Erwähnung der CDU durch die SPD zeigt noch einmal die relative Nähe der beiden Parteien auf Twitter, welche sich bereits in Abbildung 12 widerspiegelte.
Um die Nähe von SPD und CDU genauer zu untersuchen, zeigt Abbildung 14 alle Hashtags an, die sowohl von der CDU als auch von der SPD im Wahlkampf genutzt wurden. Es handelt sich um ein sogenannten bipartites Netzwerk, welches aus den Knotentypen Partei (CDU und SPD in der Mitte der Abbildung) und Hashtag besteht, wobei die Kantendicke die Anzahl Erwähnungen der Hashtags durch eine der beiden Parteien anzeigt. Abgesehen von eher generischen Hashtags wie #Berlin,#CDU, #SPD und #Berlinwahl, sind leichte in Häufungen den Hashtags #Silversternacht, #ÖPVN, #A100 und #Giffey zu sehen. Erwartungsgemäß beziehen sich diese auf wahlkampfrelevante Diskussionspunkte. Die CDU möchte die A100 schnellstmöglich fertigstellen, während die SPD argumentiert, dass dadurch Chaos entstehen würde und es weiterer Prüfungen bedarf. (Hausding, n. d.) Der #ÖPVN bezieht die Forderung der SPD und die Ablehnung der CDU von einem 29€ Ticket ein. (Menzel, 2023) Ansonsten liegen die beiden Parteien in dieser Hinsicht nicht sehr weit auseinander. Dass #Giffey für beide Parteien ein Thema ist, ist nicht weiter verwunderlich, denn zentrale Probleme wie auch die Wahlpanne wird ihr oftmals zulasten gelegt, da sie als bisherige Bürgermeisterin das Gesicht der Politik Berlins darstellte. Dadurch bot sie reichlich Diskussionsstoff und lag in den Umfragen hinter Kai Wegner von der CDU. (Huld, 2023)
Ein Blick auf Abbildung 15 zeigt jedoch auf, dass SPD und CDU keineswegs die meisten Übereinstimmungen in der Verwendung von Hashtags aufweisen. Diese Heatmap zeigt die Anzahl von gemeinsamen Hashtags auf und verdeutlicht hohe Werte durch wärmere Farben. Je wärmer eine Kachel ist, desto höher ist der Wert der überschneidenden Parteien von der X- und Y-Achse.
Die Heatmap wurde dabei mithilfe der Z-Standardisierung normalisiert, welche die Standardabweichung vom Mittelwert der einzelnen Reihen widerspiegelt. Zeilen und Spalten repräsentieren Parteien und die Kacheln stellen geteilte Hashtags dar. Werte nahe 0 bedeuten durchschnittliche Ähnlichkeit, Werte über 0 zeigen stärkere Ähnlichkeit und Werte unter 0 zeigen schwächere Ähnlichkeit zwischen Parteien in Bezug auf gemeinsame Hashtags. Die Normalisierung ermöglicht einen Vergleich der Hashtag-Muster der Parteien mit dem Durchschnittsmuster über alle Parteien hinweg.
Spitzenreiter in gemeinsamen Hashtags sind hier eindeutig DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen. Ebenfalls weisen die beiden Parteien die größten Gemeinsamkeiten auf. Hier gilt es jedoch auch zu beachten, dass beide wie in Abbildung 5 aufgezeigt wird, den höchsten Output und damit auch eine hohe Wahrscheinlichkeit für gemeinsame Hashtags aufweisen. Schaut man sich hier das Spektrum von den LINKEN isoliert an, zeigt sich, dass die wenigste Übereinstimmung mit der FDP stattfindet. Für die FDP selbst zeigt sich gesondert die höchste Übereinstimmung mit den den Grünen.
Die Abbildung 15 zeigt, dass sich auch die Annahme bestätigt, dass in Bezug auf DIE LINKE und FDP, sowie die Grünen, ein hoher Output nicht direkt für eine hohe Übereinstimmung der Hashtags sorgt. Die FDP hat mehr Übereinstimmungen mit den Grünen als mit den LINKEN. Weiterhin ist es durchaus interessant zu beobachten, dass DIE LINKE und die Grünen mit allen Parteien eine relativ Ähnlichkeit aufweisen, während AfD und CDU hingegen unterdurchschnittlich häufig dieselben Hashtags wie andere Parteien verwenden. Die Hashtags die sie nutzen, scheinen also oftmals eigene Thematiken zu behandeln. Durch diesen Umstand ist jedoch der Vergleich der gemeinsamen Hashtags von SPD und CDU von großem Interesse, um die Überschneidungen der Themen auszumachen. Da beide Parteien in Relation wenige Überschneidungen haben, sind wahlkampfrelevante Themen im Zentrum dieser Beobachtung.
Fazit
Die Berliner Landtagswahl 2023 war von vielen politischen Themen und Diskussionen geprägt. Bereits die Tatsache, dass es sich um eine Wahlwiederholung handelte, sorgte für Diskussion. Als Teil des Wahlkampfs haben die Parteien auch in den sozialen Medien versucht, ihre Positionen zu kommunizieren und Wählerinnen und Wähler zu erreichen. Zwar war DIE LINKE von allen Parteien am aktivsten, dennoch scheinen sie nicht die Wahlkampfthemen anzuführen, da hier eher die Personalfrage von Kai Wegner und Franziska Giffey im Vordergrund standen.
Die Analyse der Tweets und Hashtags zeigt, dass es bei dieser Wahl viele Themen gibt, die für die Parteien von zentraler Bedeutung sind. Die Verkehrspolitik mit der A100, die Silvesternacht und die Personaldebatte um Franziska Giffey sind nur einige davon. Bei den jeweiligen Mentions bilden die Grünen, die LINKE und die SPD deutliche Cluster, während CDU und FDP verwoben mit anderen Parteien zu finden sind. Die AfD scheint kein eindeutiges Cluster zu bilden und wird auch von keiner anderen Partei erwähnt.
Es gibt Hinweise auf Diskussionen zu möglichen Koalitionsbildungen, wie etwa zwischen Grünen und CDU oder zwischen SPD und FDP, obwohl beide von den jeweiligen Parteien ausgeschlossen wurden. Letztendlich führte der Wahlkampf dazu, dass die CDU und SPD eine Regierung mit Kai Wegner als regierendem Bürgermeister eingingen. Die Daten können nicht belegen, dass Erfolg/Misserfolg auf Twitter auch Erfolg/Misserfolg bei den Wahlen nach sich zieht, denn ein Muster bei einzelnen erfolgreichen Accounts hinsichtlich ihres Einzuges in das Abgeordnetenhaus war nicht ersichtlich. Auch der Output der Parteien insgesamt zeigt kein Muster beim Gewinn oder Verlust von Prozentpunkten bei der Wahl.
Klarer Wahlsieger war die CDU, dies jedoch höchst wahrscheinlich aufgrund anderer Mechanismen als ihrem Auftritt auf Twitter - ihre Aktivität auf Twitter war begrenzt. Abbildung 12 zeigt jedoch, dass die SPD, die bis zur Wahl die Regierung anführte, in den Erwähnungen stark verwoben mit der CDU auftrat. Hier kann einerseits interpretiert werden, dass es sich um konkurrierende Parteien handelt und andererseits, das hier auch eine gewisse Nähe der Parteien zu beobachten ist. Diese Nähe ist nach der Regierungsbildung auch zu belegen, denn beide Parteien bilden nun eine schwarz-rote Koalition. Spitzenkandidat Kai Wegner hatte auch den zweit-höchsten Output seiner Partei und krönte seinen Erfolg mit der Wahl zum regierenden Bürgermeister. Die Analyse der Hashtags zeigt zwar teilweise ähnliche Themen auf, die die beiden Parteien während des Wahlkampfs behandelten, bei genauerer Betrachtung zeigten sich jedoch unterschiedliche Ansätze zu Lösung dieser und eher wenige Gemeinsamkeiten. Es wird also interessant zu beobachten, wie und ob diese unterschiedlichen Ansätze in der eigentlichen Regierungsarbeit überwunden werden.
Diese kleine Spotlight Studie spiegelt wider, welches Potential eine explorative Studie mit Netzwerkgraphen über Twitterkommunikation haben kann. Im Kontext von politischen Wahlen und sozialen Medien können solche Arbeiten dazu beitragen, ein tieferes Verständnis für die politischen Dynamiken und Allianzen im Wahlkampf zu gewinnen und möglicherweise Tendenzen und Hintergründe über die Ergebnisse einer Wahl zu erkennen. Dafür kann die EPINetz-Plattform besonders nützlich sein, denn hier sind solche eigenen Studien ohne große technische Vorkenntnis möglich. Netzwerkgraphen können nach eigenem Interesse gestaltet und untersucht werden, um die gegenseitigen Erwähnungen von Accounts, deren überlappende Erwähnung von Hashtags oder weitere, gemeinsam verwendete Hashtags zu analysieren. Weiterhin ermöglicht die Plattform es, sich die Tweets einzelner Parteien und Politiker:innen für einen gegebenen Zeitraum anzeigen zu lassen und so die hier nur angerissenen Fragestellungen nach deren Positionierung zu einzelnen Themen oder den Inhalt der gegenseitigen Erwähnungen genauer zu untersuchen. In diesem Sinne hoffen wir, dass unsere Spotlight Studie nicht nur einige Erkenntnisse zu der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses auf Twitter liefert, sondern auch zu eigener Forschung mit der EPINetz-Plattform anregt.
Quellenverzeichnis
- 1. abgeordnetenwatch. (2021). Georg Pazderski. Profil bei abgeordneten-watch.de
- 2. Abgeordnetenhaus Berlin (n. d.). Björn Matthias Jotzo. [Abgeordnetenhaus Berlin]
- 3. Bräutigam, F., & Schwartz K. (2023). Warum die Berlin-Wahlen wiederholt werden. [tagesschau.de]
- 4. Bukold, Q., & Gronewold, M.. (2023). Spotlight Study zur Landtagswahl in Niedersachsen 2022. [LINK]
- 5. Hausding, G. (2023). Deutscher Bundestag - Geteilte Meinung zum Weiterbau der A100 in Berlin. [Deutscher Bundestag]
- 6. Huld, S. (2023). Icke! Dette! Scherbenhaufen?. [n-tv.de]
- 7. Hyun, B. (2023). Schwarz-Grün in Berlin? Autobahn spaltet, es hagelt Vorwürfe. [LINK]
- 8. Perna, M. (2023). Zum schmunzeln. [@MariellaPerna]
- 9. Menzel, J. (2023). Das planen die Berliner Parteien in der Verkehrspolitik. [LINK]
- 10. Schatz, C. (n.d.). Biografisches. [Carsten Schatz (MdA)]
- 11. Schulze, T. (n.d.). Tobias Schulze — DIE LINKE. Berlin. [Über mich]
- 12. Senatskanzlei. (2023, April 27). Lebenslauf Kai Wegner. [LINK]
- 13. statista. (2023). Wahlbeteiligung bei den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin bis 2023. [Statista]
- 14. tagesschau. (2023). Abgeordnetenhauswahl Berlin 2023. [LINK]
- 15. Twitter. (2023). Tobias schulze (@tobias schulze) / twitter. [Twitter]
- 16. Wahlen, F. (2023). Berlin-Wahl: Warum die CDU in der Hauptstadt vorne liegt. [LINK]