Spotlight Study zur Landtagswahl in Niedersachsen 2022

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Einleitung

Wie schon zuvor für die Bundestagswahl 2021 zeigt die folgende Spotlight-Study ein paar Einblicke in die Twitterkommunikation der Landtagswahl Niedersachsen 2022. Als Grundlage dafür diente eine Liste von fast 600 Kandidat:innen der Parteien in Abbildung 1; also sowohl etablierten Politiker:innen als auch Kandidat:innen ohne aktives Mandat. Zu 200 von ihnen konnten Twitter-Accounts gefunden werden, dessen Tweets uns im folgenden als Grundlage dienen. Abbildung 1 stellt das Verhältnis von Kandidat:innen zu den gefundenen Accounts dar. Von der CDU traten bspw. 129 Personen für die Wahl an, zu 29 davon fanden wir einen passenden Account.

Abbildung 1: Wie viele Kandidat:innen haben Accounts - nach Partei gruppiert
Abbildung 1: Wie viele Kandidat:innen haben Accounts - nach Partei gruppiert

Der Beobachtungszeitraum wurde vom 01.08.2022 bis zum 09.10.2022 gesetzt. Der Startpunkt entspricht damit genau dem Datum zur Frist der Einreichung der Wahllisten für die Kandidat:innen und schneidet damit auch keinen Zeitraum für eine andere große Wahl in der Bundesrepublik. Wir sammelten diese Daten bis zum Wahltermin am 09.10.2022, also für die zentrale Wahlkampfperiode (Wahl zum 19. Niedersächsischen Landtag am 09.10.2022) In Abbildung 2 sieht man diesen Zeitraum dargestellt. Man sieht außerdem die Anzahl an Tweets der Parteien pro Woche. Schon bei der Bundestagswahl verfassten die Grünenpolitiker:innen mehr Tweets als alle anderen Parteien, doch in Abbildung 2 wird der noch größere Vorsprung der Grünen in dieser Landtagswahl deutlich. Es zeigt sich außerdem der graduelle Anstieg an Twitter-Output der Grünen bis hin zum Wahltag, während die anderen Parteien nur wenig Anzeichen für einen aktiven Twitter-Wahlkampf zeigen.

Abbildung 2: Tweet-Output über Zeitraum nach Partei gruppiert

Output

Manche Parteien sind mehr auf Twitter unterwegs als andere. Die CDU hat zwar die meisten Kandidat:innen, aber davon haben weniger einen Account als die Kandidat:innen der SPD, FDP oder der Grünen. Die Grünen sind nach Abbildung 1 am stärksten auf Twitter vertreten. Aber nur weil man einen Account hat, heißt das noch nicht, dass man auch aktiv ist oder dass die Tweets auch viele Menschen erreichen.

Abbildung 3: Durschnittliche Anzahl Tweets pro Account nach Partei gruppiert
Abbildung 3: Durschnittliche Anzahl Tweets pro Account nach Partei gruppiert

Es gibt beim Output deutliche Unterschiede. Die Abbildung 3 verdeutlicht diese Unterschiede, denn sie zeigt auf, dass die Grünen in unserem Beobachtungszeitraum durschnittlich aktiver waren als andere Parteien. Ein/eine Grünen-Politiker:in hat während unseres Beobachtungszeitraums im Durchschnitt über 200 Tweets geschrieben. Die AfD folgt zwar mit ebenfalls durschnittlich über 200 Tweets, hat aber insgesamt weniger aktive Accounts (siehe Abbildung 1).

Abbildung 4: Absolute Zahlen
Abbildung 4: Absolute Zahlen

Abbildung 4 verdeutlicht dies in absoluten Zahlen, denn die Grünen waren im Wahlzeitraum insgesamt über 8000 Mal auf Twitter aktiv. Die AfD lediglich um die 2000 Mal. Das ist eine wichtige Erkenntnis, bedeutet aber natürlich auch, dass unsere Daten eine hohe Asymmetrie aufweisen und mit Vorsicht betrachtet werden sollten, da andere Parteien gegebenenfalls unterrepräsentiert sein können, wie beispielsweise die CDU mit lediglich knapp 200 Aktivitäten. Die Randparteien AfD und DIE LINKE sind dafür im Vergleich sehr aktiv gewesen.


Doch nicht nur nach Parteien lässt sich solch eine Unterrepräsentation feststellen, denn auch für die Wahlkreise gibt es teils starke Unterschiede. Nicht alle Wahlkreise sind von aktiven Accounts auf Twitter repräsentiert und weiterhin gibt es auch Unterschiede in der Anzahl der Accounts, wie es in Abbildung 5 zu sehen ist.

Abbildung 5: Aktive Accounts nach Wahlkreis
Abbildung 5: Aktive Accounts nach Wahlkreis

Abbildung 6: Output nach Wahlkreis
Abbildung 6: Output nach Wahlkreis

In Abbildung 5 ist zu sehen, dass es Wahlkreise mit keinem oder bis zu fünf Accounts gibt. Dennoch lässt sich über die Anzahl der Accounts keine Schlussfolgerung über den Output pro Wahlkreis an sich machen, denn Abbildung 6 zeigt deutlich, dass auch ein Wahlkreis 19 (Holzminden) mit lediglich einem Account Spitzenreiter im Output sein kann. Hier twittert Christian Meyer von den Grünen. Man erkennt, dass bereits wenige Accounts für einen hohen Output sorgen können.


Hashtags

Abbildung 7: Meistgenutzte Hashtags nach Partei
Abbildung 7: Meistgenutzte Hashtags nach Partei

Die Abbildung 7 zeigt, welche Partei wie oft welchen Hashtag in unserem Beobachtungszeitraum genutzt hat. Hashtags geben einen Überblick über die wahlkampfrelevanten Themen und zeigen auf, welches Diskussionsthema von welcher Partei fokussiert wird. Steigende Energiekosten und die Energiekrise gehörten zu den Hauptthemen dieser Wahl. Hashtags wie #Gasumlage, #Gaspreisbremse, #Klimaschutz, #Atomkraft und #Energie weisen dabei deutlich auf dieses Thema hin und lassen sich bei unterschiedlichen Parteien wiederfinden, sodass sich über die Hashtags auch die Wichtigkeit dieses Themas widerspiegelt. Weiterhin zeigen auch die generischen Hashtags, wie #Niedersachsen oder #ltwNds22, dass die Diskussion auf Twitter im Rahmen der Landtagswahl stattfand.

Netzwerkgraphen

Analysiert man Social Media Plattformen, bietet es sich an, bestimmte Zusammenhänge als Netzwerke zu betrachten. So erkennt man, wer oder was wichtig oder populär ist. Netzwerke können dabei die Zusammenhänge zwischen Personen, aber auch Tweets oder Themen aufzeigen.


Ein Netzwerkgraph ist eine Darstellungsform eines Netzwerks, bzw. einer Gruppe von Objekten (genannt “Knoten”) und der Verbindungen zwischen den Objekten (genannt “Kanten”). Die Knoten werden durch Kreise dargestellt und die Kanten werden durch Linien oder Pfeile dargestellt. Diese Kanten können gerichtet (das heißt, sie zeigen von einem Knoten zu einem anderen) oder ungerichtet sein. Ein gerichteter Zusammenhang zwischen zwei Knoten wäre zum Beispiel: Person A ist das Kind von Person B. Ein ungerichteter Zusammenhang wäre: Stadt A ist mit Stadt B (beidseitig) verbunden.

Abbildung 8: Alle Kandidat/:innen und deren Mentions als Graph
Abbildung 8: Alle Kandidat/:innen und deren Mentions als Graph

Twitter bietet mit Hilfe der @-Mentions die Möglichkeit, Personen in einem Tweet zu markieren oder anzusprechen. In Abbildung 8 sieht man einen solchen Netzwerkgraphen. Es zeigt die @-Mentions zwischen den Kandidat:innen. Hat also die Spitzenkandidatin der Grünen, Julia Willie Hamburg, in einem Tweet den Spitzenkandidaten der CDU, Bernd Althusmann, erwähnt, führt ein grüner Bogen von ihr zu @althusmann. Je öfter sie ihn erwähnt hat, desto dicker wird der Bogen und desto größer wird der Knoten “@althusmann”.


In der Abbildung erkennt man, dass die Grünen eindeutig den Twitter-Wahlkampf dominieren. Sie erwähnen viele andere Politiker:innen und haben einen hohen In-Degree. Außerdem ist zu sehen, wer im Zentrum steht, nämlich die Spitzenkandidat:innen:

  1. 1. Julia Willie Hamburg, Grüne (@williehamburg)
  2. 2. Christian Meyer, Grüne (@GruenMeyer)
  3. 3. Bernd Althusmann, CDU (@althusmann)
  4. 4. Stephan Birkner, FDP (@Stephan_Birkner)


Stefan Marzischweski-Drewes (@Marzischweski) von der AfD steht eher außerhalb und ist oben rechts in der Abbildung zu sehen. Auch Stephan Weil (@stephanweil) hat einen eher kleinen In-Degree oben links zu sehen. Dazu muss gesagt werden, dass Stephan Weil zu der Zeit auch einen zweiten Account hatte: @MpStephanWeil. Dieser war eher mit seinem Mandat verbunden, weniger mit direktem Wahlkampf - wurde deswegen in unserer Seed-List nicht aufgenommen. Er hätte jedoch in etwa nochmal den gleichen Indegree.


@Althusmann näher betrachtet


Julia Willie Hamburg und Bernd Althusmann haben in Abbildung 8 eine starke Position. Sie besitzen einen hohen In-Degree und stehen stark im Zentrum des Netzwerks. Bei wichtigen Knoten lohnt es sich oft, diese näher zu betrachten. In Abbildung 9 sieht man ein egozentrisches Netzwerk aus der Sicht von Bernd Althusmann. Egozentrisch heißt in diesem Fall, dass alle Knoten gelöscht wurden, die keine Verbindung mit @althusmann haben.


Man erkennt, dass er mit fast allen Spitzenkandidat:innen eine Verbindung hat, außer mit dem Spitzenkandidaten der AfD und intressanter Weise mit seinem Hauptkonkurrenten dieser Wahl Stephan Weil (SPD). Erklären lässt sich dies dadurch, dass sowohl Weil als auch Althusmann wenig die Funktion des @-Mention benutzen. Abbildung 9 zeigt zwar viele Pfeile in Richtung @Althusmann, aber nur wenige von ihm zu anderen Politiker:innen. Bei Stephan Weil ist das ähnlich.

Abbildung 9: Egozentrisches Netzwerk @Althusmann
Abbildung 9: Egozentrisches Netzwerk @Althusmann

Diese Analyse kann ganz einfach mit der EPINETZ-Plattform durchgeführt werden. Unten seht ihr, was herauskommt, wenn man @Althusmann eingibt und den Beobachtungszeitraum genauso setzt wie bei unserer Analyse. Die Ergebnisse sind hier anders, denn die Plattform bezieht deutlich mehr Akteure (Knoten) mit ein, aber Sie sind natürlich ähnlich:

Abbildung 10: Screenshot epinetz.de - Mention-Graph @williehamburg im Beobachtungszeitraum
Abbildung 10: Screenshot epinetz.de - Mention-Graph @williehamburg im Beobachtungszeitraum

Fazit

Diese Kleinstudie zeigte, wie man über Twitter Wahlkampfthemen, wie die Energiekrise, herausarbeiten kann. Außerdem zeigt sie die Dominanz der Grünen im Twitter-Wahlkampf, denn sie hatten insgesamt einen sehr viel höheren Output und waren viel aktiver als andere Parteien in unserem Beobachtungszeitraum. Die AfD hat im Vergleich zwar wenig Accounts, twittert aber durschnittlich ähnlich viel wie die Grüne. Auch die Linke hat mit Frederick Broßart einen sehr aktiv twitternden Politiker.


Auch unsere Mention-Netzwerkgraphen waren geprägt von den Grünen. Während sich bei Stephan Birkner und Bernd Althusmann noch ihre Wichtigkeit im Wahlkampf-Diskurs zeigt (sie haben einen hohen In-Degree), sind die Spitzenkandidaten von SPD und AfD sind jedoch auch hier sichtbar weniger in den Twitter-Diskurs eingebunden


Überraschend ist also, dass SPD und CDU in dieser Wahl so wenig auf Twitter-Wahlkampf gesetzt haben. Ein Zusammenhang zwischen Twitter-Aktivität und Wahlerfolg ist ohnehin wissenschaftlich nicht zu belegen. Die Grünen waren in diesem Wahlkampf sehr aktiv und fuhren einen deutlich Erfolg im Vergleich zur letzten Niedersachsenwahl ein. Allerdings stürzten die Grünen wenige Wochen vor der Wahl in den Umfragen deutlich ab. Im August waren sie noch bei knapp 24%, vor der Wahl jedoch nur noch bei 16%. Die Umfragewerte verhielten sich also gegensätzlich zum Output dargestellt in Abbildung 2. AfD und LINKE hatten einen hohen Output, beide allerdings nur wenig twitternde Kandidat:innen. Während die AfD ihre Ergebnis im Vergleich zur letzten Wahl verdoppelte, musste sich die LINKE mit einem sehr niedrigen Wahlergebnis abfinden.


Der Artikel sollte außerdem die Möglichkeiten der EPINetz-Plattform aufzeigen und zum Nachforschen anregen. Statt allen Kandidat:innen einer Wahl beeinhaltet der EPINetz-Datensatz nur jene, die während des Wahlkampfs Amts- oder Mandatsträger:innen sind. Allerdings beinhaltet er insgesamt deutlich mehr Politiker:innen-Accounts. Der Datensatz der Plattform umfasst sowohl Accounts von Bundes- als auch Landes- und EU-Politiker:innen. Durch seine Größe und den viel längeren Erhebungszeitraum ermöglicht er eine höhere Aussagekraft. Dabei lässt sich alles frei und ohne Programmierkenntnisse einstellen und lädt so zur eigenen Exploration ein.